In welchem Alter sollte man eine Patientenverfügung schreiben? Was ist das richtige Alter für eine Patientenverfügung?
Wenn ich berichte, dass ich Workshops für Vorsorgeberatung anbiete oder an einem Infostand stehe, gehen manchmal Menschen kopfschüttelnd vorbei und sagen: „Bei mir ist es noch nicht so weit?!“ Dann frage ich zurück: „Was denken Sie, ab wann ist es soweit, sich mit Sterben und Tod zu beschäftigen und vorzusorgen?“
Es gibt für das Schreiben einer Patientenverfügung nur eine Untergrenze: Man muss mindestens 18 Jahre alt, also volljährig sein. Das heißt, ein junger, schwer krebskranker Mensch mit 17 Jahren dürfte noch keine Patientenverfügung abschließen. Nach oben ist keine Altersgrenze gegeben, nur die natürliche medizinische Grenze der noch vorhandenen Urteilsfähigkeit.
Wann sollte man also eine Patientenverfügung schreiben? Es gibt sehr gute Gründe, es schon in jungen Jahren zu tun. So sind auch junge Menschen in meinen Workshops, weil sie sich für das Thema interessieren. Viele Menschen wissen nicht, dass auch Ehepartner nicht automatisch füreinander entscheiden dürfen. Auch Ehepartnern gegenüber gilt die ärztliche Schweigepflicht. In dem Moment, in dem Ihre Kinder 18 Jahre alt werden, dürfen Eltern nicht mehr für sie entscheiden. Und Sie dürfen nicht automatisch für Ihre alten, gebrechichen Eltern entscheiden.
Wenn Sie Risikosportarten betreiben wie Motorsport, Ski Fahren oder Mountainbike, sollten Sie auf alle Fälle auch in jungen Jahren eine Patientenverfügung abschließen. In mittleren Jahren sind die Argumente oft, dem Lebenspartner, der Partnerin mehr Sicherheit zu geben. Hier macht es keinen Unterschied, ob Sie verheiratet sind oder nicht. Sie geben Ihrer Familie oder Ihren Freundinnen viel mehr Sicherheit, wenn Sie eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht und eine Bestattungsvorsorge machen und alles regeln.
In mittleren Lebensjahren kommt oft außer der Sorge um den Partner und die Kinder die Sorge um die zunehmend älter werdenden Eltern hinzu. Wie mit Ihnen sprechen? Gemeinsam mit Ihnen in Beratung gehen oder alleine? Warum nicht mal zu Hause eine Art „Vorsorgeparty“ veranstalten, eine Beraterin oder einen Berater einladen und in Ruhe alles besprechen?
In älteren Jahren sind die Gründe oft, dass bereits bestimmte chronische Krankheiten aufgetreten sind. Man hat vielleicht schon Verwandte und Freundinnen oder Freunde sterben sehen. Dadurch werden die Vorstellungen und Überzeugungen konkreter, was man für sich selbst möchte und was nicht. Man hat Freundinnen gesehen, die sich bis zum Schluss gegen alles Palliative gewehrt haben und auf der Intensivstation blieben, oder Freundinnen, die ganz ruhig und gut begleitet verstorben sind.
Ein weiteres Problem in älteren Jahren kann die Erkenntnis sein, dass der Freundes- und Verwandtenkreis kleiner wird. Manche Menschen sind schon vor einem gestorben, andere sind gleichalt und selbst gebrechlich. Wer keine Kinder in der Nähe hat, fragt sich jetzt oft, wem soll ich das alles mal anvertrauen? Soll ich zu einem neutralen Notar gehen, zu einem Betreuungsverein? Muss ich einem guten Freund oder einer guten Freundin Geld zahlen, wenn sie sich um all das kümmert? Ein Teilnehmer meines Workshops sagte spontan, das ist ja jede Menge Arbeit, so eine Betreuungsverfügung zu übernehmen, vielleicht noch den Nachlass und die Beerdigung zu organisieren? Finde ich da jemand, der das als reinen Freundschaftsdienst für mich macht oder will ich lieber einen neutralen Profi, z.B. von einem Betreuungsverein, und mit dem ein Honorar vereinbaren? Aber wer kann sich das leisten?
In meinem Freundeskreis hat eine gute Freundin mit 51 Jahren einen schweren Fahrradunfall gehabt und ist jetzt sehr hilflos. Ihre Lebensgefährtin hatte zum Glück eine Patientenverfügung von ihr und konnte sich um alles kümmern. Es war sehr viel Aufwand, von den Verhandlungen mit den Ärzten, der Rehaklinik, den Ämtern und Behörden. Aber sie hatte die Sicherheit, dass sich ein vertrauter Mensch um sie kümmert, der sie sehr gut kannte und liebte. Diese Sicherheit hat heute nicht mehr jeder.
Betreuungsvereine und Notare bieten hier eine neutrale Beratung an. Bei einer Bevollmächtigung kann ein Honorar vereinbart werden, bei einer Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung gibt es eine gesetzlich geregelte Aufwandspauschale.
Es gibt eine Situation, bei der Sie spätestens eine Patientenverfügung machen sollten: Wenn bei Ihnen eine schwer heilbare, unheilbare Krankheit festgestellt wird oder vor einer schweren Operation. Spätestens hier sollten Sie für Ihre Angehörigen Sicherheit geben. Wenn eine konkrete Erkrankung oder eine konkrete Operation im Raum steht, stehen meistens auch konkrete Ängste und Risiken im Raum, die sie jetzt genau benennen können. Lassen Sie sich auf alle Fälle individuell beraten.
Eine Obergrenze gibt es nur durch die geistige oder körperliche Verfassung. Wenn sie nicht mehr in der Frühdiagnostik sind, sondern die Demenz weit fortgeschritten ist, können Sie keine Verfügung mehr aufsetzen. Wenn Sie einen akuten Unfall oder Schlaganfall hatten, können Sie es auch nicht mehr.
Beugen Sie vor! Schauen Sie sich z.B. die Formulare der Deutschen Palliativstiftung an, das sind sehr gute Formulare. Sie sind allerdings so formuliert, dass der Arzt sie gut versteht, an den sie ja adressiert sind. Daher ist eine Beratung dazu sehr sinnvoll, denn die medizinischen Fachausdrücke sind nicht für jeden Laien verständlich.
In vielen Hospizdiensten, Betreuungsvereinen oder Palliativzentren gibt es Beratung. In meiner Praxis gibt es kompakte Workshops dazu, die Sie sehr gründlich informieren, aber keine individuelle Rechtsberatung ersetzen können.
Ich wünsche Ihnen den Mut, damit anzufangen. Laut aktuellen Umfragen haben nur 26 % der Bevölkerung eine Patientenverfügung, 48 % geben an: „… in den nächsten Monaten eine machen zu wollen…“. Warten Sie nicht. Setzen Sie Ihre Neujahrsvorsätze um, gehen Sie es an!
Mit herzlichen Grüßen,
Monika Müller-Herrmann
Bei Fragen zum Thema oder zum nächsten Workshop rufen Sie mich gerne an unter 069 93 49 09 58 oder unter monika.mueller-herrmann@gmx.de
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