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Trauerbegleitung und Buchmesse

Erfahrungen mit der Buchmesse – mit einem Stand mit Trauerbegleitungsbüchern und den Denkdeckeln –

 

 

Ganz kurzfristig habe ich erfahren, dass ich einen Buchmessenstand bekommen kann. Was erlebt man so, wenn man mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer auf der Buchmesse ist?

 

 

Dienstag – Aufbau – ich weiß seit einer  Woche erst, dass ich einen Buchmessenstand bekommen habe. Restplatzbörse. Ich leihe mir vom Stand gegenüber eine Zange aus, biege die Regalbretter zurecht, lege Bücher aus, hänge Plakate auf. Halle 3.1. ist chaotisch: Paletten, Folien, Kisten. Um 16 Uhr eine Durchsage in vier Stunden: Wir räumen jetzt die Gänge. Sie können ihren Stand weiter aufbauen, aber bitte leeren Sie die Gänge. Bis 24 Uhr müssen Sie die Halle verlassen haben.

 

Ich gehe, fröhlich, mein erster Buchmessenstand, und hoffe, dass am nächsten Morgen noch alles da ist.

 

 

Mittwoch – Fachbesuchertag.

 

Es ist nichts geklaut worden. Die praktischen Schubfächer sind stabil, ich habe zwei Stühle, drei Regale, viele Kulis, Postkarten, die Denkdeckel, Bonbons und meine Bücher über Trauerbegleitung und Trauercafé.

 

 

Schnell zeichnet sich eine Tendenz ab: Frauen und Kinder wollen eher Bonbons, Männer eher Kulis.

 

 

Ein erstes Gespräch mit einem Trauerseelsorger, dann ein Gespräch mit einer Vertreterin einer kirchlichen Buchhandlung.

 

Ein Mann, ca. 65, graues kurzes Haar, sieht die Denkdeckel und sagt „Es ist noch zu früh, um darüber nachzudenken!“

 

Immer wieder Männer, die Kulis wollen, ja sogar mit merkwürdigen Ausreden gleich mehrere Kulis wollen „habe drei Kinder!“

 

Zwei junge Frauen bleiben an den Denkdeckeln hängen: „Oh jeh, was für ein trauriges Thema! Hoffentlich brauchen wir Sie nicht bald!“

 

 

Ein Mann, weicht dem Blickkontakt aus, nimmt sich hektisch einen Buchprospekt, will das Buch unbedingt lesen und kaufen.

 

Ein Gespräch mit zwei Frauen, eine arbeitet im Palliativbereich, eine will privat ein Trauercafé gründen, sie sind Freundinnen. Die eine Frau klagte, dass sie mit über 50 Jahren nicht zu einer Trauergruppe zugelassen wurde, in der über die Eltern getrauert wurde.

 

Besuch eine Esoterikerin: „Sie müssen die trauernden Seelen aus dem astralen Bereich befreien, kennen Sie den astralen Bereich?“ Ich bestätigen ihr, dass ich diese Bezeichnung sehr wohl kenne, aber selbst nicht damit arbeite.

 

 

Ein Mann, der aktuell in Therapie ist, will wissen, ob er begleitend zur Psychoanalyse Trauerbegleitung und Meditation machen kann.

 

 

Im Laufe des Tages immer wieder Applaus, wenn eine Lesung endet, und immer wieder der Klang einer Flöte.

 

 

Donnerstag und Freitag, Fachbesuchertage

 

 

Gespräch mit einer Sternenkinderfotografin, die Bestatter ausbildet zum Thema Fotografien von Verstorbenen.

 

 

Die Lollis kommen heute gut an, viele junge Leute greifen nach den Lollis oder den Denkdeckeln.

 

 

Auf der Damentoilette werden morgens immer im Waschbecken die Tassen vom Vortag gespült. Scheinbar werden nur Frauen zum Spülen geschickt, auf der Buchmesse geht es traditionell zu. Ich habe in der ganzen Woche nur einmal einen Mann gesehen, der zum Spülen ging.

 

 

Wieder ein Gespräch mit einer Trauerseelsorgerin. Immer wieder abwechselnd der Klang von der Flöte und Applaus.

 

 

Eine Lehrerin, die Religion am Gymnasium unterrichtet, sie sucht Unterrichtsmaterial zum Thema. Ich empfehle ihr die Unterrichtsmappe der deutschen Palliativstiftung und die Bezugsquelle der Denkdeckel.

 

 

Mehrere Gespräche mit Ehrenamtlichen aus zwei Hospizen  im Rhein-Main-Gebiet

 

 

Eine Vertrauenslehrerin an einer Grundschule, hat immer wieder mit trauernden Eltern oder Kindern zu tun. Ich gebe ihr den Ratgeber mit.

 

 

Eine junge Frau interessiert sich für den Ratgeber, ihre Oma trauert um ihren Mann.

 

 

Ein Ehemann einer Hospizleitung erzählt vom Alltag seiner Frau.

 

 

Gespräch mit einer Buchhändlerin, das Thema Trauer wird gut nachgefragt im Moment bei ihr. Sie nimmt sich den Buchprospekt mit.

 

 

Am Stand schräg links gegenüber gibt es Sekt und Häppchen.

 

 

Gespräch mit einem Theologiestudenten, der sich für Religion, Tod, Nahtod und Sterbebegleitung interessiert.

 

 

4 ältere Frauen, die sich begeistert auf die Denkdeckel stürzen und sagen; „Das sind echt unsere Themen!“

 

 

Eine Frau von einem anderen Verlag, die mir ein Verlagsprodukt verkaufen will und sie drückt sich dabei so umständlich aus, dass ich bis zum Schluss nicht verstehe, was sie eigentlich will…

 

 

Gespräch mit einer Ergotherapeutin, die gemeinsam mit einer Militärseelsorgerin eine Art Trauercafé zum Thema Trauer und Posttraumatische Belastungsstörung gestaltet.

 

 

Eine  Frau spricht über eine „Biographie des Sterbens ihres Mannes“, die sie verfasst hat.

 

 

Samstag und Sonntag, Besuchertage

 

 

Die Kulis sind am Samstagabend restlos alle weg. Die Bonbons halten bis Sonntagabend, obwohl die Kinder beherzt zugreifen.

 

 

Viele Besucher schauen schnell weg, wenn sie die Plakate sehen und gehen zügig weiter.

 

 

Eine junge Familie stürzt sich auf die Denkdeckel, Papa, Mama, Kind, jeder nimmt einen mit.

 

 

Eine Frau aus einem ambulanten Pflegedienst, will ein Trauercafé gründen.

 

 

Eine Frau steht länger am Stand, deren Sohn eine Ausbildung zum Bestatter macht. Sie interessiert sich für Ratgeber und Denkdeckel.

 

 

Zwei, drei Menschen kaufen den Ratgeber, da sie Angehörige betrauern.

 

 

Eine Frau sagt: “Ein trauriges, wichtiges Thema, über das viel zu wenig gesprochen wird!“

 

 

Eine junge Frau erzählt, dass sie ein FSJ in einer hospizlich-palliativen Einrichtung gemacht hat und danach erst einmal zwei Jahre Therapie machte. Ihr Freund ist Rettungssanitäter, beide sind sehr jung, haben schon viele Menschen sterben sehen. Sie haben beide keine Supervision gehabt.

 

 

Wieder  Gespräche mit einigen Ehrenamtlichen aus Hospizen und Hospizdiensten und mit Kolleginnen aus Hospizdiensten im Rhein-Main-Gebiet.

 

 

Ein Palliativmediziner mit seiner Familie, in seiner Einrichtung gibt es eine Art Trauercafé. Während ich mich mit Ihnen unterhalte, greifen drei Jungs gezielt in die Bonbonplatte und greifen so viele Bonbons wie es nur geht ab. Kichernd rennen sie mit ihrer Beute weg.

 

 

Ein Notfallseelsorger fragt, wo finde ich gute Trauerbegleiter in meiner Nähe? Ich verweise auf den Bundesverband Trauerbegleitung e.V.

 

 

Zwei junge Frauen wollen die Denkdeckel für ihr Referat im Ethikunterricht nutzen. Ich gebe Ihnen viele mit.

 

 

Eine Obdachlose, die unauffällig und gepflegt wird, fragt, wo sie mit ihrer Trauer hingehen kann. Sie sagt, es passieren einem manchmal so komische Dinge, dann hat man kein Zuhause mehr oder man will sich umbringen, wenn man ganz schwere Verluste nicht verkraftet… ich rate ihr, zum nächsten Hospizdienst zu gehen.

 

 

Spontanes Gespräch zwischen einer Mutter und einer Tochter über den Denkdeckel „Unter die Erde oder in die Urne?“ Mutter und Tochter unterhalten sich länger am Stand stehend über ihre Beerdigungswünsche.

 

 

Sonntag, 17:30 Uhr kommt die Durchsage: „Die Frankfurter Buchmesse geht zu Ende. Wir danken allen Gästen und wünschen eine gute Heimreise.“ Alle, die noch in der Halle sind, applaudieren. Ich habe schon ein paar Plakate abgehängt und packe die restlichen Bücher ein. Verkauft habe ich nicht viel, aber die Gespräche am Stand waren einmalig schön und spannend.

 

 

Einmal Teil der Buchmesse gewesen zu sein, vom Aufbau bis zum Abbau, das werde ich nie vergessen!

 

 

Danke an alle, die an meinem Stand vorbeikamen!

 

 

Monika Müller-Herrmann

 

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